Landschaft im Wandel - Die Entstehungsgeschichte der Schwäbischen Alb und die aktuelle Rutschdynamik bei Mössingen-Talheim
Karl-von-Frisch-Vortrag von Dr. Eberle am 21.11.2016
Auf eine Zeitreise vom Jurameer bis hin zu rezenten Prozessen an der heutigen Schichtstufenlandschaft begab sich Dr. Joachim Eberle bei seinem Vortrag am Karl-von-Frisch-Tag. Herr Dr. Eberle ist Akademischer Oberrat am Geographischen Institut der Universität Tübingen. Am 21.11.2016 referierte er vor einer vollen KvFG-Aula über das Thema „Landschaft im Wandel – Die Entstehungsgeschichte der Schwäbischen Alb und die aktuelle Rutschdynamik bei Mössingen-Talheim“.
Dabei ging er auf geologische und Nutzungsaspekte ein, die „gut zusammenpassen“. Während er eingangs knapp die Entstehung der mesozoischen Gesteine der Alb, die zwischen 200 und 144 Mio. Jahren vor heute in einem flachen tropischen Meer abgelagert wurden, streifte, stellte er die Formung der Landoberfläche im Tertiär und im Quartär in den Mittelpunkt seines Vortrags. In diesem Zusammenhang machte er deutlich, dass für die Untersuchung der Landschaftsgenese immer auch eine Betrachtung der jeweiligen klimatischen Verhältnisse notwendig ist, weil man dadurch Rückschlüsse auf wirksame geomorphologische Prozesse ziehen kann.
Im Zeitraum Oberkreide bis Obereozän kam es unter tropischen Klimabedingungen zur Rumpfflächenbildung sowie aufgrund der intensiven chemischen Verwitterung zur Bildung von Eisenkonkretionen, den Bohnerzen, die als älteste Abtragungsrelikte auf der Alb heute vor allem in Karstschlotten noch auffindbar sind. Ab dem Oligozän dominierte die Landpräparierung durch fluviatile Prozesse. Ablagerungen von Flüssen der Alb aus dieser Zeit finden sich heute noch in der Süßwassermolasse Oberschwabens, wo gleichzeitig von zwei Seiten her, von der Alb, vor allem aber aus dem Alpenraum, das bis dato vorhandene Becken mit Sedimenten aufgefüllt wurde. Zum ersten Mal entstanden richtige Täler; Flussschotter auf der Ostalb im Kreis Heidenheim zeugen als Relikte davon. Von Süden her wurden das heutige Oberschwaben und die spätere Flächenalb vom Meer geflutet. Die alte Küstenlinie lässt sich als Kliff noch heute zwischen Hegau und Ostalb auf der Albhochfläche verfolgen. Die nicht von diesem Meer überflutete nördlich davon gelegene Kuppenalb blieb mit ihrer charakteristischen Formenbildung erhalten.
Ein weiteres Kapitel stellte der Albvulkanismus im Kirchheim-Uracher-Vulkanfeld dar, der vor 17 bis 11 Mio. Jahren vor heute auftrat. Archive dieser Aktivität stellen z.B. der Vulkan Jusi bei Kohlberg oder das Randecker Maar dar – genauso wie der Höwenegg auf der Hegaualb. Vor 15 Mio. Jahren entstand in einer offenen Savannenlandschaft der Meteoritenkrater bei Nördlingen.
Mehrfach änderte sich das Flussnetz. Der Oberlauf der früheren Aare-Donau, deren Schotter von vor 8 Mio. Jahren auf der Hochfläche oberhalb des Donau-Durchbruchstals bei Beuron noch zu finden sind, wurde später in Richtung des Rheins abgelenkt, der durch die Entwicklung des Oberrheingrabens inzwischen tiefer lag. Die Donau wurde fortan vor allem vom heutigen Alpenrhein gespeist. Im Pliozän vor 3,5 Mio. Jahren folgte die Hauptphase der Höhlenentstehung auf der Schwäbischen Alb in einem mediterranen Süddeutschland.
Während des Pleistozäns änderten sich die Klimabedingungen deutlich: Das Eiszeitalter begann. Obwohl man davon ausgeht, dass auf der Schwäbischen Alb auch in dieser Zeit keine großflächigen Gletscher lagen, geht durch intensive Karteninterpretation hervor, dass es dennoch karähnliche Firnmulden (vermutlich mit Eisfeldern) während der kältesten Phasen der letzten beiden Kaltzeiten (vor 130000 und vor 20.000 Jahren) gegeben haben muss. In der Tundrenlandschaft des Riß- und Würm-Kaltzeit-Komplexes erfolgte eine periglaziale Landschaftsformung mit einer deutlichen Einschneidung der Flüsse ins Deckgebirge bei gleichzeitig starker Hebung der Alb. Das Ergebnis kann man in Form von Hangschutt am Albtrauf vor der Weißjurastufe begutachten. Die fluviale Zerschneidung mit intensiver rückschreitender Erosion war entscheidend für die Ausprägung der Juraschichtstufe.
Auch nach Ende der Kaltzeiten (etwa 12.000 Jahre vor heute) ging der Prozess der Verkarstung mit der karstmorphologischen Formenbildung (Dolinen, Erdfälle etc.) weiter. Anhand von Pollenanalysen aus dem Schopflocher Moor wurde festgestellt, dass erst seit dem Subboreal (ca. 6000 vor heute) die Buche auf der Alb großflächig verbreitet ist.
Die Landschaftsformung durch den Menschen belegte Herr Dr. Eberle beispielsweise anhand feingliedrig abgestufter Nutzungen. Bereits die Kelten hätten ein profundes Wissen über die Bearbeitbarkeit der unterschiedlichen Böden auf der Alb gehabt. Für die Landwirtschaft nicht geeignete geringmächtige Rendzinen wechseln sich auf kleinem Raum mit tiefgründigen Kolluvien ab, die gut ackerbaulich nutzbar sind. Im Gegensatz zum Schwarzwald hat die Alb also unter anderem gut nutzbare Böden. Heute zieht sich der Mensch aus ungünstigeren Lagen, die er jahrhundertelang extrem verändert hat, allerdings zunehmend zurück. Somit entsteht auf ehemaligem Ackerland neuer Wald. Laut Herrn Eberle bildet der Albtrauf heute eine natürliche „Grenze zwischen Wildnis und Wahnsinn“. Mit der „Wildnis“ seien die von Verbuschung und Wiederbewaldung betroffenen ehemaligen Kulturlandschaften auf der Alb gemeint, der „Wahnsinn“ erkläre sich bei einer 180-Grad-Drehung, wenn man den Blick über die dicht bebaute und besiedelte Region Stuttgart schweifen lasse.
Zu den Rutschungen, die Anfang Juni 2013 aufgetreten sind, erläutert Herr Dr. Eberle, dass es bereits das gesamte Frühjahr, insbesondere aber Ende Mai 2013 extrem viel Niederschlag gegeben habe, wobei die 400-m-Wand des Albtraufs eine Barriere für den Starkregen darstellte. Am Beispiel der Fronhalde bei Mössingen-Talheim erklärt Herr Eberle, dass eine alte Scholle auf dem besonders rutschfreudigen Ornatenton bereits vorhanden, aber nicht ursächlich verantwortlich für die aktuelle Rutschung war. Eine alte Deponie aus den 1960er-Jahren, die vom Erdaushub für Leitungen der Bodenseewasserversorgung stammt, war hälftig nicht im notwendigen Maße befestigt, so dass dieser Bereich unter dem Druck des Wassers stark zu rutschen begann. Nicht nur die Erddeponie, auch der Wald und die Streuobstwiesen schoben sich in Richtung Weiherbach und lenkten ihn sogar um. Mittels einer Drohnenbefliegung sowie hochauflösender Aufnahmen aus einem Segelflugzeug konnte nach Gegenüberstellung mit alten Laser-Scan-Aufnahmen die wirkliche Ursache für die Rutschung festgestellt werden: Sie wurde letztlich durch eine vorhandene Forststraße im Oberhang im Zusammenhang mit den Starkniederschlägen ausgelöst, weil – vergleichbar mit Braunsbach in diesem Jahr – Wasser in großem Maße über die Hänge abgelaufen sei und sich in bergseitigen Rinnen oberhalb der Forststraße sammeln konnte. Dort sei das Wasser in rutschungsaffinere Schichten eingedrungen und bewies im Ergebnis das Gefährdungspotenzial stark rutschgefährdeter Hänge.
Herr Dr. Eberle hat es sich wie auch Karl von Frisch zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Inhalte in didaktischer Qualität und verständlicher Sprache einem interessierten Publikum zugänglich zu machen, was ihm im Rahmen des Karl-von-Frisch-Vortrags hervorragend gelungen ist. Sein Engagement für die Lehre belegt auch die Publikation eines Standardwerks der regionalen Geographie: „Deutschlands Süden – vom Erdmittelalter zur Gegenwart“. In jüngster Zeit veröffentlichte Herr Dr. Eberle zudem einen Rother-Wanderführer mit dem Titel „Geo-Wandern rund um Stuttgart“.