Prof. Wunner vom Institut für Theoretische Physik I der Universität Stuttgart war der Vortragsredner beim 28. Karl-von-Frisch-Tag am 20.11.2023. Er sprach zum Thema „Geheimnisse des Universums: das Rätsel der Dunklen Materie und der Dunklen Energie“.
Das Universum ist vor ca. 13,8 Milliarden Jahren in einem Zustand extrem hoher Temperatur und Dichte entstanden. Zu dieser Zeit bestand das Universum im Wesentlichen aus Protonen, Elektronen und Photonen, die eng miteinander in Wechselwirkung standen. Etwa 380000 Jahre nach dem Urknall, bei einer Temperatur von ca. 3000 Kelvin, entkoppelte die Strahlung von der Materie, Protonen und Elektronen konnten sich zu Wasserstoffatomen verbinden, das Universum wurde durchsichtig und die Photonen breiten sich seither ungehindert durch den Kosmos aus. Die Temperatur der Photonen ist inzwischen auf ca. 3 Kelvin abgefallen, sie erreichen uns heute aus allen Richtungen praktisch gleichförmig als kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung.
Prof. Wunner erläuterte, dass es ein Grundprinzip der Allgemeinen Relativitätstheorie sei, dass die Materie dem Raum sagt, wie er sich zu krümmen hat; in dieser gekrümmten Geometrie bewegt sich die Materie. Aus der Bewegung der Materie kann man also auf die insgesamt vorhandene Materie und deren Masse zurückschließen.
Beobachtungen wie z.B. die des Galaxienhaufens im Sternbild Perseus, der aus 1000 Galaxien besteht, zeigen, dass die sichtbare Materie nicht ausreicht, um den Haufen zusammenzuhalten, es muss also noch unsichtbare („dunkle“) Materie vorhanden sein. Diese Erkenntnis hatte zuerst Fritz Zwicky, der Friedrich Dürrenmatt in seinem Werk „Die Physiker“ als Vorbild für die Figur „Möbius“ diente. Erneut bestätigt wurde der Zusammenhang ganz aktuell durch die ersten Daten der Euclid-Mission der ESA.
Edwin Hubble, der im Übrigen wie Karl von Frisch auch am 20.11. Geburtstag hat, untersuchte Sterne und Galaxien mit Hilfe von Größen, die man direkt messen kann: Einerseits die Intensität, d.h. die Helligkeit einer Strahlungsquelle, zum anderen das Spektrum, also die Spektrallinien. Je schneller sich eine Galaxie von uns entfernt, umso mehr sind die Spektrallinien zu längeren Wellenlängen verschoben, was man als Rotverschiebung bezeichnet. Hubble fand 1929 heraus, dass je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, sie sich desto schneller von uns wegbewegt. Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt; auch die Abnahme der Temperatur der Mikrowellenhintergrundstrahlung lässt damit erklären.
Prof. Wunner erklärte, dass man mit Hilfe der Mikrowellenhintergrundstrahlung auch die Krümmung des Raums gut untersuchen kann. In der kosmologischen Theorie besagt das „Prinzip der Bescheidenheit“, dass der Raum homogen ist, also kein Punkt ausgezeichnet ist, und dass der Raum isotrop ist, also keine Richtung ausgezeichnet ist. Da uns die Mikrowellenstrahlung aus allen Raumrichtungen mit nur kleinen Schwankungen sehr gleichförmig erreicht, kann man mit dem Prinzip der Bescheidenheit Rückschlüsse auf die Verteilung der Masse und damit auf die Krümmung im gesamten sichtbaren Teil des Universums ziehen.
Prof. Wunner erläuterte, dass die vorliegenden Daten zeigen, dass das sichtbare Universum im Großen eine euklidische Geometrie aufweist, d.h. nicht-gekrümmt ist und außerdem expandiert, d.h. es dehnt sich immer weiter aus. Die Ursache für diese Expansion wurde in Anlehnung an Dunkle Materie mit dem Begriff „Dunkle Energie“ belegt. Prof. Wunner machte deutlich, dass dieser Name in Anlehnung an Dunkle Materie gewählt wurde und nichts darüber aussagt, woraus die Dunkle Energie besteht, die völlig strukturlos ist und sich durch eine homogene Verteilung auszeichnet; dies ist bis heute ein großes Rätsel, obwohl sie etwa 70 % des gesamten Energiegehalts des Universums ausmacht. Die Dunkle Materie, die sich durch die Bewegung von Galaxien und Galaxienhaufen verrät, macht etwa 25 % des Energiegehalts aus; auch hier weiß man bis heute nicht, woraus sie besteht – im Gegensatz zur Dunklen Energie gibt es hier aber bereits Vermutungen, die man in Zukunft experimentell überprüfen kann.
Die „normale Materie“, aus der auch wir bestehen, macht nur 5 % des Energiegehalts im Universum aus. Es bleibt also weiter ein großes kosmologisches Rätsel, woraus der Großteil des Universums besteht.