Prof. Rüdiger Glaser, der an der Universität Freiburg den Lehrstuhl für Physische Geographie innehat, hielt am 19.11.2021 den 26. Karl-von-Frisch-Vortrag zum Thema „Globaler Klimawandel und lokale Auswirkungen in Südwestdeutschland“.
Von 1901 bis 2012 gab es global einen Temperaturanstieg von 1 K. Zuvor gab es dekadische Änderungen der Temperatur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und dann eine merkliche Erwärmung ab ca. 1900. Die Temperatur hielt sich sodann einige Jahrzehnte auf einem Plateau, nahm aber ab den 1970er-Jahren exponentiell zu. Innerhalb einer Dekade ergeben sich heute 6 bis 7 milde Jahre, 1 bis 2 durchschnittliche Jahre (gemessen am langjährigen Temperaturniveau) und 1 bis 2 kalte Jahre. Dafür beobachtet man mehr Extreme: die Zahl und Schwere der Hochwasser und Sturmereignisse nimmt zu, 2018 trockneten hingegen einige Flüsse wie die Dreisam aus.
Die Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre, der Haupttreiber des Temperaturanstiegs, steigt permanent an. Messungen an Bergen wie dem Schauinsland, der Zugspitze oder dem Mauna Loa auf Hawaii zeigen dies deutlich.
Befunde des Klimawandels sind beispielsweise Klimaproxies wie Gletscher: Bei den allermeisten Alpengletschern wie z.B. dem Vernagtferner zog sich die Gletscherzunge nach dem Vorstoß von 1850 sehr stark zurück, sodass es zu einem großen Schwund an Eismasse im Gletscher kam. Die phänologische Uhr zeigt die Periode ohne Vegetation an. Diese betrug im Zeitraum von 1961 bis 1990 120 Tage (gerechnet bis zum Beginn der Haselblüte), von 1991 bis 2015 waren es 105 Tage, wobei vor allem eine Verkürzung des Winters im Frühjahr festgestellt wird. Inzwischen wird in der Umgebung von Heidelberg Tabak angebaut, der Sojaanbau ist in Deutschland möglich und am Kaiserstuhl können wärmeliebendere Weinsorten gepflanzt werden.
Doch die negativen Auswirkungen dominieren gegenüber den Verbesserungen deutlich. Im Extremjahr 2018 war fast ganz Deutschland von anhaltender Trockenheit erfasst, in deren Folge es zu deutlichen Trockenschäden in der Landwirtschaft und im Wald kam. Die Skisaison in den Mittelgebirgen wird kürzer und unsicherer. Im Karlsruher Hafen ergaben sich negative wirtschaftliche Auswirkungen, weil die Schiffe nicht voll beladbar waren oder gar nicht mehr fahren durften. Die Blaualgenblüte in Gewässern kommt als neues Problem auf uns zu. Das Schnakenproblem in Flusslandschaften wie dem Oberrhein verschärft sich und es gibt dort neu eine Population der Tigermücke, die Trägerin vom Denguefieber ist. Hochwasserereignisse oder Starkniederschläge nehmen zu, wenn auch prognostisch um nur wenige Tage im Jahr. Aber ein einziger Tag mit Starkniederschlag reicht aus, um ein Ereignis wie in Braunsbach hervorzurufen. Zudem verändern sich die Ursachen fürs Hochwasser von starker Schneeschmelze, Regen auf Schnee oder sogar Eisgang hin zu Dauer- und Starkregen.
Die Attributionsforschung ermöglicht die Berechnung der Klimaanteile an bestimmten Wetterlagen. Der Anteil des Klimawandels beträgt dabei über die Zeit hinweg immer mehr Prozentpunkte. Aufgrund des Klimawandels zeigen sich für Mitteleuropa steigende Winterniederschläge, aber die Sommerniederschläge nehmen ab. Die Gesamtsumme des Jahresniederschlags verändert sich in Mitteleuropa also nicht sehr stark, vielmehr wird die saisonale Spreizung größer und es fällt somit weniger Niederschlag während der Vegetationsperiode.
Aus dem eigens für Dußlingen erstellten Klimasteckbrief (Daten aus dem Projekt LoKlim – Lokale Strategien zur Klimawandelanpassung) ergeben sich deutliche Temperatursteigerungen: Derzeit liegt die Jahresdurchschnittstemperatur bei 8,9 °C. Diese wird sich bis 2050 auf 10,2 °C erhöhen und bis zum Jahr 2100 auf 12,6 °C ansteigen. Die Zahl der Sommertage wird sich bis dahin mehr als verdoppeln, die Zahl der heißen Tage mit Temperaturen > 30 °C nehmen von derzeit durchschnittlich 7 Tagen auf 36 Tage zu und auch Tropennächte kommen künftig verstärkt auf uns zu. Indessen wird sich die Zahl der Frost- und Eistage deutlich reduzieren.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel nimmt der Klimafaktor Mensch eine tragende Rolle ein. Das tatsächliche Verhalten der Menschen konterkariert aber ein klimaschonendes Verhalten: Im Jahr 2019 stieg die Zahl der Flugreisen nochmals sehr stark an, die Deutschen flogen in diesem Jahr so viel wie noch nie.
Das „climate engineering“ werde überbetont, so Prof. Glaser. Bestandteile dieses Konzepts sind z.B. das künstliche Upwelling im Meer, reflektierende Aerosole, die in die Atmosphäre ausgebracht werden, künstliche Wolkenbildung oder die CO2-Speicherung in Kavernen.
Soziale Kippschalter können hingegen mehr Wirkung entfalten. Dazu gehören das Umstellen unserer Energieproduktion, eine klimawandelbewusste Stadtplanung, das Deinvestment in fossile Energieträger, eine Veränderung unserer Wertehaltung, Bildung über Klimathemen oder die Nachverfolgung von Produktketten, womit Themen wie der ökologische Fußabdruck oder virtuelles Wasser verbunden sind. Ganz zentral für einen weniger stark ausfallenden Klimawandel sei die Energiewende, aber auch der Bereich Mobilität, der angepasst werden müsse.
Abschließend betonte Prof. Glaser, dass richtige Maßnahmen greifen würden. So habe das Ozonloch durch konsequentes Handeln unter Verzicht auf FCKW reduziert werden können und das Waldsterben sei durch die Reduktion des SO2-Ausstoßes deutlich zurückgegangen. Warum soll das also nicht auch für den Klimawandel gelten? Man wisse inzwischen ziemlich genau, was uns in Bezug auf den Klimawandel erwarte. Frühere Szenario-Modelle hätten ziemlich exakt vorhergesagt, was dann auch tatsächlich gekommen sei.